Ende letzten Jahres hat die Postbank mit viel Aufwand ihre betroffenen Privatkunden über einen anstehenden Umzug ihrer IT-Infrastruktur informiert. Das dies nicht reibungslos über die Bühne gehen würde scheinen sie schon geahnt zu haben.
So wurde etwa die Kreditkartenabwicklung auf eine andere Site ausgelagert und die Übertragung der Sicherheitscodes bei Online-Kreditkartenkäufen erfolgt im Augenblick wieder per SMS.
Zum Jahreswechsel war das System – angekündigter Weise – offline. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten in den ersten Tagen ist es jetzt wieder wie gewohnt erreichbar.
Den IT-Umzug hat die Postbank zum Anlass genommen diverse Angebote zu ändern und zu streichen; die hier angegebenen Punkte beziehen sich jedoch nur auf ihr Online-Banking.
Einige sinnvolle Funktionen sind verschwunden. Und bei manchen Sachen fragt man sich, in welchem Jahr wir leben.
Umsatzabfrage
Eine der wichtigsten Funktionen beim Online-Banking ist wohl die Abfrage des Kontostands und der Umsätze. Dies ist auch im neuen System möglich, das war es dann aber auch.
Im „alten System“ bestand die Möglichkeit, diese Umsätze als CSV- oder XML-Datei zur weiteren Verarbeitung herunterzuladen.
Diese Möglichkeit wurde ersatzlos gestrichen.
PDF-Kontoauszüge
Wer versucht, diese oder andere Daten aus den „neuen“ PDF-Kontoauszügen mit Markieren-Kopieren-Einfügen zu holen, erlebt sein blaues Wunder. Wenn man z.B. seine IBAN braucht und diese im Kontoauszug markiert – ja das geht – kopiert und dann woanders einfügt, erhält man einen Buchstabensalat, der nur entfernt mit dem etwas zu tun hat, was das menschliche Auge lesen kann. Hier ein Beispiel einer Überweisung, deren Text sich augenscheinlich markieren lässt. Der kopierte Text in der Zwischenablage sieht aber sehr sonderbar aus. So fehlen z.B. alle Zahlen, was bei Kontoauszügen besonders auffällt:
pbmA Überweisung an
Bundesnetzagentur
fBAk abMUTRMMMMMMMMTRMMNMMT
BfC MAohabcNTRM
serwendungszweckL hundenreferenz
hassenzeicÜen VMN4VMMNU4UR J
Diese „neuen“ PDF-Auszüge erkennt man vor allem daran, dass sie oben rechts nicht mehr das gelbe Postbank-Logo der „alten“ PDF-Auszüge haben, bei denen das Herauskopieren im Übrigen einwandfrei funktioniert.
Der Buchstabensalat aus den neuen PDF-Auszügen erinnert an OCR-Ergebnisse aus der Anfangszeit, wobei man sich natürlich fragt, warum man bei computergenerierten PDF-Dateien überhaupt OCR einsetzen muss.
Daueraufträge
Brokerage
Unter der Rubrik „Investieren“ werden bei der
Umsatzanzeige die Anteile nur mit 2 Nachkommastellen angegeben, und
nicht wie allgemein üblich (und auch im alten System implementiert) mit 3
Nachkommastellen.
Zumindest enthalten die – jetzt nicht mehr computerlesbaren – PDF-Abrechnungen diese 3 Nachkommastellen.
Open-Source-Software, um die Auswirkungen dieser „Verbesserungen“ etwas abzumildern
Der meines Wissens einzige Weg, um im Augenblick Umsätze und Salden ohne Umwege computerlesbar von der Postbank zu bekommen, ist die HBCI-Schnittstelle, wie sie z.B. in Finanzsoftware implementiert ist.
Aber auch das freie Programm Jameica/Hibiscus kann über die HBCI-Schnittstelle kommunizieren.
Über diese Software können – neben anderen Funktionen – Kontoabstände und Umsätze abgefragt, verarbeitet, aber auch exportiert und von anderen Programm weiterverarbeitet werden.
Was die PDFs angeht, die nur so tun, als könnte man ihren Inhalt herauskopieren, so kann man hier eine „richtige“ OCR-Software einsetzen.
Im Linux-Umfeld bietet sich gimagereader an. Der Nachteil hier ist, dass gimagereader ein Programm mit einer GUI ist. Es setzt jedoch die OCR-Engine tesseract ein, die man auch separat, z.B. in Skripts, aufrufen kann.
tesseract verarbeitet jedoch keine PDFs, sodass diese zuerst in eine Bilddatei umgewandelt werden müssen, wie beispielsweise im folgenden Python3-Skript:
from pdf2image import convert_from_path
import pytesseract
pil_image_list = convert_from_path("x.pdf")
# pro Seite ein PPM
# print(pil_image_list)
# erste Seite
img = pil_image_list[0]
text = pytesseract.image_to_string(img, lang="deu")
print(text)
Warum dieser nicht immer 100% fehlerfreie Umweg überhaupt notwendig ist, weiß nur die Postbank.
Reaktionen
Auf diese und andere gemeldete Fehler und Bugs reagiert das Unternehmen allerdings mit Baustein-E-Mails, sodass meine Hoffnung nicht besonders hoch ist, dass diese Meldungen tatsächlich gelesen werden und sich jemand darum kümmern wird.
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